Autoreninterview: Katherina Ushachov

Wann hast du gemerkt, dass du Autorin werden möchtest?
Der Weg dahin war irgendwie … merkwürdig. Ich habe immer schon Geschichten erzählt, aufgemalt und später halt auch geschrieben, aber ich hatte nie als Berufswunsch Autorin. Dafür hatte ich immer zu sehr im Kopf, dass ich was Vernünftiges werden muss, mit sicherer fester Anstellung und so. Es war also immer ein „Autorin +“.
Romanversuche habe ich gemacht, seit ich elf bin, durchgezogen mit 17/18. Ich erzähle dann immer: Andere machen zwischen Abitur und Studienbeginn ihren Führerschein. Ich schrieb mein erstes Buch.
Daher kann ich das gar nicht so genau sagen …
Wie bist du auf die Idee zu deinem aktuellen Buch „Zarin Saltan“ gekommen?
Ich habe darüber nachgedacht, was ich für die Märchenspinnerei adaptieren bin und habe (ich weiß nicht mehr, aus welchem Anlass) auf Youtube prokrastiniert. Dort findet man sehr viele Märchentrickfilme aus der Sowjetunion und ich habe mir die nacheinander angeschaut. Bei „Das Märchen vom Zaren Saltan“ hat es dann Klick gemacht, denn das Frauenbild in diesem Märchen geht einfach mal gar nicht. Das wollte ich adaptieren.
Wie kam es dazu, dass du bei der Märchenspinnerei eingestiegen bist? 
Spontan. Völlig spontan. Die Diskussion im „Tintenzirkel“ drehte sich einfach darum, ob man im Selbstverlag nicht gemeinsam sooo viel mehr erreichen würde, wenn man zusammenarbeitet. Ich weiß gar nicht, wie mir geschah, dass ich mich als Tribut … äh, Autorin gemeldet habe, um mitzumachen. Denn eigentlich habe ich jahrelang gesagt, dass Selfpublishing nichts für mich ist. Aber irgendwie hat mich die Begeisterung mitgerissen. Und außerdem sind Märchen meine geistige Heimat und jetzt, da ich wieder mit ihnen arbeite, frage ich mich ernsthaft, wie ich jahrelang ohne konnte.
Verrate uns doch deine drei Lieblingsmärchen und wieso gerade diese dir am Herzen liegen? 
Mein absolutes Lieblingsmärchen verrate ich nicht – aus ganz sehr megageheimnisvollen Gründen :P.
Das zweitliebste ist die russische Version von „Brüderchen und Schwesterchen“ – eins der Unterschiede besteht darin, dass die zwei Figuren Namen haben: Elena und Ivan. Außerdem wird das Brüderchen nicht zu einem Reh, sondern zu einem Zicklein.
Und das dritte Lieblingsmärchen ist die russische Bearbeitung des Wolfs und der sieben Geißlein.
Wieso gerade diese, ist schwer zu sagen – aber ich glaube, sie alle (auch das geheime Märchen) haben sehr viele recht düstere Elemente. Und die haben mich schon als Kind magisch angezogen.
Bekommen deine Charaktere „einfach so“ ihre Namen oder steckt da eine Bedeutung hinter?
Ich lehne in der Regel sprechende Namen beim Schreiben ab. Von anderen Autor*innen weiß ich, dass die sich eine Riesenmühe machen, eine Bedeutung herauszusuchen und dann mit Silben zu spielen und zu machen und zu tun. Und ich liebe es, beim Lesen sprechende Namen aufzuschlüsseln (wie z.B. in „Harry Potter“ oder in den „Chroniken von Chaos und Ordnung“), aber ich selbst arbeite nicht damit. Es passt nicht in die Art von Geschichte, die ich erzählen will – ich meine, wie logisch ist es, dass die Eltern von einer Figur vorausahnen, dass sie irgendwann mal ein Vampir sein wird und sie darum Kain/Lilith/Dracula/Fangzahn nennen?
Ja genau. Meist habe ich einen Namen, bevor die Figur dazu da ist. Also beispielsweise Severina. Ich hatte den Namen, also musste ich damit arbeiten. Okay, eine Römerin also. Und dem Namen zufolge die jüngere Schwester, da die ältere Severa heißen würde. Wie sieht sie aus? Hm … irgendwie fühlt sie sich nach „rothaarig“ an und klein. Klingt vermutlich sehr abstrus, aber so arbeite ich.
Wie weit kennst du deine Geschichte, wenn du mit dem Schreiben beginnst? Weißt du zum Beispiel das Ende im Voraus?
Ich glaube, ich habe alle Extreme von „Ich habe keine Ahnung, wo das hinführt“ (von denen ist das Gros nie fertig geworden) bis „Ich habe jede Szene im Voraus geplant“ (das war die scheußlichste Schreiberfahrung meines Lebens und danach habe ich vier Jahre lang keine Romane mehr geschrieben) durch.
Ist beides nicht meins.
Bei Märchenadaptionen muss ich mehr plotten. Weil ich zusehen muss, dass ich am Ende alle Fäden  so zusammenführen kann, wie im Original und auf dem Weg möglichst viele Märchenelemente mitnehme. Trotzdem passieren da Schlenker, merke ich beim Schreiben, dass ich beim Plotten Quatsch behauptet habe und das völlig anders schreiben muss. Ist mir bei „Zarin Saltan“ passiert, beispielsweise.
Aber ich habe auch neun Bücher geschrieben, bei denen ich nur wusste, wie das erste anfängt und das neunte aufhört (und ein paar Stationen zwischendrin, ein paar Charaktertode standen auch schon von Anfang an fest).
Und bei meinem zuletzt beendeten Roman habe ich festgestellt, dass es für mich gut ist, wenn ich einen Teil festlege (und zwar bewusst), den anderen Teil aber NICHT ausformuliere. Mein Unterbewusstsein, mein Bauch, die wissen genau, was ich schreiben muss. Aber wenn ich versuche, das zu notieren, um damit zu arbeiten, ist auf einmal gähnende Leere. Also lasse ich es sein und vertraue darauf, dass Kopf und Bauch sich schon einigen, wie viel ich wissen muss, um es hinzukriegen.
 
Hörst du gerne Musik beim Schreiben? Wenn ja, welche? 
Manchmal ja. Manchmal gar keine.
Ich habe auf Spotify sowohl Playlisten für einzelne Romane, als auch Playlisten für Stimmungen („traurig“, Kampfszenen, sowas). Und da ist alles Mögliche drin. Rammstein, Filmmusik, Schlager aus der Sowjetunion.
Gibt es eine/n Autor/in, der/die dich sehr inspiriert beim Schreiben?
Inzwischen nicht mehr. Aber ich erinnere mich, wie ich mit 14 „Interview mit einem Vampir“ gesehen habe und danach wusste: Ich will auch über Vampire schreiben. Und das tue ich immer noch.
Ansonsten habe ich sehr, sehr viele tolle Kolleg*innen, die mich mit ihrem Tatendrang mitreißen oder dadurch inspirieren, dass sie trotz eines volleren Alltags als ich ihn habe sehr fleißig sind. Ann-Kathrin Karschnick ist beispielsweise so eine Autorin.
Besonders die Mütter verdienen meinen Respekt. Ich schaffe es ja schon nicht immer, mich zu organisieren. Aber fleißig schreiben mit einem oder mehreren Kindern? Immer entspannt, offen und fröhlich wirken, obwohl gerade daheim die Hütte brennt? Das ist .. Ich bewundere sie sehr.
So wie alle Kolleg*innen, die unter erschwerten Bedingungen viel leisten. Das zeigt mir oft auch: Okay, ich kann es auch schaffen. Wenn andere es unter viel schwereren Bedingungen können, was hält mich dann auf?
Welchen Tipp kannst du all denen geben, die gerne ein Buch veröffentlichen würden?
Einfach machen. Ich kenne so viele Leute, die alles Mögliche wollen und auch gut darin wären, aber es muss natürlich perfekt sein. Die Umstände, das Timing, die Facebookreichweite, der Haarschnitt … Das blockiert.
Einfach schreiben.
Einfach schauen, ob ihr Selfpublishing oder Verlag wollt.
Einfach das tun, was der Reihe nach benötigt wird, um den einen oder anderen Weg einzuschlagen (Exposé schreiben und versenden oder eben Cover beauftragen, Lektorat beauftragen, Accounts anlegen). Und das Buch dann in die Welt lassen.
Viele zerdenken alle möglichen Prozesse. Oder warten auf den ominösen perfekten Zeitpunkt. Jetzt ist perfekt. Jetzt ist die Zeit, um loszulegen, das Ding zu schreiben, zu überarbeiten und durchzuziehen. Genau JETZT!
 
Hast du dir schon mal etwas gewünscht, als du eine Sternschnuppe gesehen hast? Und ist es in Erfüllung gegangen?
Ich kann mich nicht erinnern, ob ich mir was gewünscht habe! :O Ich erinnere mich gut, welche beobachtet zu haben, aber ich habe keine Ahnung, ob ich einen Wunsch geäußert habe.
Reist du gerne? Wenn ja, wohin möchtest du unbedingt und wieso?
Reisen? Pfui, bäh. Ich vertrage weder lange Zug- noch Autofahrten. Von Bussen fangen wir besser gar nicht erst an. Flieger gehen, aber ich bin nie länger als eine Stunde geflogen, also mal schauen …
Ich komme lieber irgendwo an, als irgendwohin zu reisen, da bin ich ehrlich.
Wo ich gerne ankommen würde? In Japan, China … generell träume ich seit ich ein kleines Kind bin, davon, mir mal Asien anzusehen. Es ist so anders und ich erhoffe mir viele Einsichten davon.
Ein bisschen näherliegend wäre Skandinavien, das ich schon als Teenagerin sehen wollte. Und seit ich gesehen habe, wie schön es dort ist, Ungarn.
Es gibt sehr viele Orte, die ich gerne sehen würde. Wenn man nur das Beamen endlich erfände!
Wie sieht dein persönlicher Alltag im Zusammenhang mit dem Schreiben aus?
Öde, das kann man eigentlich fast nicht erzählen.
Ich habe keine besonderen Rituale, zünde mir weder Kerzen an, noch lege ich besondere Musik auf oder tue sonst irgendetwas Spannendes. Geschrieben wird, sobald die restliche Arbeit im Homeoffice erledigt ist.
Dazu gehört das Lektorieren (ich bin als freie Lektorin tätig) und auch Social Media. Facebook gehört zum Beruf dazu, nicht zur Freizeit. Jedenfalls bei mir. (Auch wenn es Spaß macht, mich dort zu tummeln).
Dann wird erst geschrieben und das so lange, bis ich müde bin und mich aufs Sofa oder direkt ins Bett verkrümel.

Faulenzen oder lieber Sport?
Faulenzen!
Kaffee oder Tee?
Beides. Morgens und Nachmittags Kaffee, zwischendurch Tee.
Berge oder Meer?
Beides. Wohnen: Berge, Urlaub: Meer.
Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang?
Untergang.
Rot oder Blau?
Blau.
Schokolade oder Weingummi?
Schokolade.
Pferd oder Esel?
Pferd.

… wenn du eine Wunderlampe findest und der Flaschengeist dir drei Wünsche erfüllt?
Ich bin eine spitzfindige Autorin, ich würde meine Wünsche bombensicher formulieren, damit der Flaschengeist sie mir jaaa nicht falsch auslegt :D.
Und ich vermute, der ERSTE Wunsch wäre, einen begehbaren Bücherschrank zu haben, der von innen viel größer ist als von außen. Eine Art Bücherschranktardis. Von außen eine kleine Tür, zum Beispiel zwischen Büro und Schlafzimmerwand. Von innen eine Bibliothek ungefähr von den Ausmaßen der Bibliothek in Disneys „Die Schöne und das Biest“ (das gezeichnete Original aus den 90ern).
Dann, dass mein Haus in der Lage ist, sich selbst zu putzen und den Staub auf magische Art verschwinden zu lassen. Wenn man viele Bücher hat, sammelt der sich ja besonders gerne an.
Und einen Zeitumkehrer, der funktioniert. Und da ich wüsste, dass ich einen Zeitumkehrer hätte, hätte ich auch kein Problem damit, wenn die zwei Ichs im selben Zimmer hocken und gleichzeitig zwei verschiedene Romane schreiben (oder eins schläft, während das andere die ganze Nacht durchschreibt).
Ich glaube, damit hätte ich alles abgedeckt, den Rest kriege ich selbst hin.
 
… wenn du die Möglichkeit bekommst ins Weltall zu reisen?
Aber bitte nur, wenn ich während der jahrelangen Flugreise eingefroren werde und nicht altere. Was habe ich davon, mir epische Planeten ganz weit weg anzusehen, wenn ich ein altes Weiblein bin, bis ich dort ankomme? Und natürlich mit der ganzen Familie.
… wenn du im Lotto gewinnen würdest?
Kommt darauf an, wie viel ich gewinnen würde. Ich würde trotzdem weiterarbeiten, weil es Spaß macht, wäre dabei aber um Welten entspannter, ich könnte ja zur Not immer auch von den Zinsen halbwegs leben und mir größere Anschaffungen auch mal finanzieren, indem ich einen Teil des Gewinns nutze.
(Vielleicht würde ich auch ganz pragmatisch einen Teil nutzen, um das Haus zu kaufen, in dem ich wohne. Und ein bisschen was daran machen, Fenster austauschen und so.)
Aktuelles Buch

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Cover und Foto: Katherina Ushachov
Schriftzüge: Photoshop// Stefanie Wirtz   

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26 Kommentare

  1. Das Interview über die Autorin ist wirklich interessant. Das Buch hab ich mir mal aufgeschrieben.
    Liebe Grüße
    Geri

  2. Auch wenn's nicht ganz mein Genre ist – ein interessantes Interview – toll geführt 🙂

  3. Danke für diesen Beitrag. Ich lese, lerne und lasse mich unheimlich gerne von anderen inspirieren!

    viele Grüße und schöne Feiertage

    Dennis

  4. Ein sehr interessantes Interview. Ich finde Autor ist ein unglaublich faszinierender Beruf. Einer meiner großen Träume ist es irgendwann auch ein Buch zu veröffentlichen. Aber gerade beim ersten gehört einiges an Durchhaltevermögen dazu um das wirklich durchzuziehen. Sehr bewundernswert!

    Liebe Grüße
    Jana

  5. Ein sehr interessantes und ausführliches Interview. Ich muss leider gestehen, dass ich die Schriftstellerin bisher nicht kannte.
    Liebe Grüße
    Sigrid

  6. Ich kannte die Autorin gar nicht. Aber gerade dann finde ich solche interviews spannend. Sie klingt sehr sympathisch! Da werde ich mir ihr Buch doch glatt mal näher anschauen! Danke Steffi für das tolle Interview!

  7. Ein ausführliches Interv iew. Ich kenne die Autorin nicht aber trotzdem ist es interessant zu lesen, wie sie dazu kam, beruflich zu schreiben.

    Lieben Gruß
    Jessica

  8. Hey meine Liebe.
    Die Autorin hat mir bisher nichts gesagt aber sie scheint sehr sympathisch zu sein. Danke für dieses tolle Interview.

    Liebste Grüße,
    Sandra.

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